Leben ist Veränderung, nichts bleibt wie es ist. Das trifft aufs Kleine zu. Meine Frisur gefällt mir zum Beispiel endlich mal seit Jahren super. Jetzt. Aber es war ein Prozess dahinzukommen und dieser Prozess hört nicht auf solange meine Haare wachsen oder mein Gesicht sich mit den Jahren verändert. Klar wäre es schön, wenn ich ab jetzt immer voller Zufriedenheit in den Spiegel schauen würde. Für mich ist nichts nerviger als mir über Klamotten oder Haare Gedanken machen zu müssen. Aber selbst, wenn ich bis an mein Lebensende damit zufrieden bin, gibt es Tage, da sieht es einfach scheiße aus. Schlecht geschnitten, schlecht geschlafen, zu lange nicht gefärbt, was weiß ich.
Auch die großen Sachen bleiben nicht wie sie sind. Ich bin nie fertig mit meiner Ausbildung, höchstens mit einem Schritt und wenn ich nicht mehr an einem Zertifikat arbeite, dann doch an meiner Lebenserfahrung. Und ich bin auch nicht fertig in meinem Muttersein, auch wenn das ein Status ist, der sich nie ändern wird. Ich weiß und mache jetzt ganz andere Dinge als vor 5 Jahren. Manchmal fühl ich mich damit gut und manchmal nicht.
Es gibt kein geplantes happily ever after. Auch bei Beziehungen nicht. Beziehungen sind immer im Prozess. Stetig verändern sich Nähe, Intimität und Verbindung. Und das ist auch gut so. Die Intensität der Verliebtheitsphase zum Beispiel möchte ich nicht dauerhaft leben, weil ich sonst jeden Job verlöre und mein Haushalt verkommen würde. Und es ist auch physiologisch überhaupt nicht möglich, den Hormonrausch dauerhaft auszuhalten, ohne ernsthaft Schaden zu nehmen. Trotzdem gehen wir oft von hopp oder top aus.
Sind sie zusammen? Dann ist ja alles super. Verheiratet mit Kindern – perfekt. Dann ist ja alles geregelt. Ab jetzt und für immer dar.
Sind sie getrennt? Oh Gott, wie traurig. Sie haben es nicht geschafft, sind gescheitert, die armen Kinder.
Jetzt mal ganz ehrlich, so funktioniert das doch nicht. Nur weil ich einen Trauschein unterschreibe oder meiner Blase gegenüber offen mache, dass dieser Mensch etwas Besonderes für mich ist, weil ich jetzt offiziell eine romantische Beziehung mit ihm habe, liebe ich doch nicht mehr oder allumfassender als vorher. Und wenn ich mich von jemandem trenne oder mich scheiden lasse, hört doch die Liebe nicht einfach auf…
Ja, ich gebe zu, auch mir ist einfach lieber. Klar würde ich lieber in schwarz-weiß denken. Klar ist es irgendwie convenient, wenn mir jemensch die Partner*in vorstellt und ich dann davon ausgehen kann, dass dies die wichtigste Person im jeweiligen Leben ist. Klare Verhältnisse. Jede Person weiß dann offiziell, wer mit wem Sex haben darf, und wer nicht. Aber geht mich das überhaupt etwas an? Muss ein Ehepaar nach 40 Jahren noch Lust aufeinander haben, weil es sonst gescheitert ist? Und muss ich überhaupt wissen, wer mit wem wie eng ist? Bei Freund*innen- oder Bekanntschaften ist das doch auch nicht immer klar.
Und das ist auch sinnvoll, denn die Beziehung zwischen Menschen verändern sich jeden Tag, mit jedem Satz. Wir suchen die Nähe zu Menschen, weil wir etwas brauchen, dazugehören, geliebt fühlen, Gesellschaft haben, Spaß teilen. Und wenn es gut läuft, passt das Gegenüber da genau rein. Aber Bedürfnisse verändern sich. Heute brauche ich mehr Zuspruch, morgen mehr Freiheit und deshalb ist es auch vollkommen in Ordnung, wenn Menschen sich näherkommen und ein Stück zusammengehen und sich dann aus den Augen verlieren.
Wenn die Kommunikation stimmt, wenn beide wissen, wer sie sind und die Embrace-Haltung leben, dann ist das für beide in Ordnung. Klar, ist Abschied oft von Trauer oder Wehmut begleitet, vor allem, wenn viele Gefühle im Spiel sind. Obwohl beide klar haben, dass sie lieber ohne die andere Person weitergehen köchten, stirbt die Liebe nicht einfach. Ich vermisse immer noch Menschen, mit denen ich vor 15 Jahren ein Stuck des Weges gemeinsam gegangen bin. Genauso geht es mir mit Freundschaften, die mein Herz berührt haben. Gleichzeitig ist mir klar, dass es grade nicht passt. Aber vielleicht morgen oder in 5 Jahren.
Leben ist das, was passiert, während du etwas völlig Anderes planst. Das ist mir chaotisch genug. Da muss ich mich nicht auch noch mit traditionellen Beziehungskonzepten rumschlagen oder damit, was meine Eltern von mir erwarten oder für anständig halten. Ich finde, so lange es allen Beteiligten gut geht, ist jede Form der Beziehung ok, zu jeder Zeit. Natürlich auch die monogame!
Und auch die ist Veränderung. Langzeitbeziehungen verändern sich von Schmetterlingen im Bauch über Respekt, Achtung und Dankbarkeit bis hin zur innigen, untrennbare Verbundenheit oder vielleicht auch dem freundschaftlichen Nebeneinander. So lange alle Beteiligten sich bewusst sind, dass alle Gefühle und Bedürfnisse in Ordnung sind wie sie sind und es eigentlich fast immer einen sinnvollen Umgang damit gibt, ist Veränderung auch kein Problem. Aber ich bin nicht gescheitert, wenn ich zu einem bestimmten Zeitpunkt „plötzlich“ Single sein oder ein eigenes Schlafzimmer möchte, wenn meine Ehe nicht länger als 5 Jahre hält oder ich keine Familie mit Kindern will oder wenn ich merke, dass ich diesen Menschen wirklich und wahrhaftig nie wieder aus meinem Leben entlassen will. Selbst dann kann sich die Form täglich ändern.
Liebt so, wie es Euch und Euren Liebsten guttut. Zu jeder Zeit.