Sonja Jüngling

Ein Bild von Sonja + Titel "Monogamie Pros & Cons"

Monogamie: Pros & Cons – diese 15 Aspekte helfen dir herauszufinden, ob und wie du diese gern gesehene Beziehungsform leben möchtest

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Die meisten Menschen sind mit der Auffassung aufgewachsen, dass Beziehungen monogam sind. Wir fragen uns selten, was Vor- und Nachteile dieser Beziehungsform sind. Dabei ist ein bewusstes Einlassen auf eine Lebensart oft das A und O für dessen Qualität. 

Hier kommt meine Sicht dazu. 

 

Erstmal vorweg die Definition von Monogamie

Beziehungsform, in der zwei oft heterosexuelle Menschen eine sexuell exklusive Beziehung führen, die durch die Ehe staatlich anerkannt wird, mehr dazu im Glossar

 

Als erstes kommen die Pros & Cons sowie die Stolperfallen in Kürze

Und falls du mehr Details brauchst, lies einfach darunter weiter. Falls du noch mehr Gründe brauchst, schau dir meinen Vortrag dazu auf YouTube an, der ab dem 6.7.2022 online ist.

Pros/Vorteile
  1. einfacher weil weniger Klärungsbedarf (weniger Personen involviert)
  2. gesellschaftlich akzeptiert
  3. staatlich und infrastrukturell gefördert
Cons/Nachteile
  1. Erwartungen schränken ein
  2. höheres Potential, dass Bedürfnisse unerfüllt bleiben
  3. potentielle (emotionale) Abhängigkeit von EINEM Menschen
Achtung! 
  1. Wichtigkeit von Freundschaften wird oft unterschätzt, achte darauf dein Netzwerk zu pflegen  
  2. höheres Betrugspotential (Aufgrund von Unsicherheiten im Umgang mit Gefühlen gegenüber Dritten wird Ehrlichkeit oft vernachlässigt)
  3. Freiwilligkeit wird meist nicht mitgedacht, so dass sich die Monogamie schnell wie ein goldener Käfig anfühlen kann

 

Ich möchte noch anmerken, dass ich mich bei all meinen Aussagen auf die klassische Monogamie beziehe, die sich durch ein paar meiner Meinung nach ungünstige Parameter auszeichnet, die oft auch als AMEFI bezeichnet werden (Alles Mit Einer*m Für Immer)

  • Partner*innen sind (allein) für das eigene Glück verantwortlich
  • starkes Besitzdenken
  • wenig Autonomie und großer Wunsch nach einer eher symbiontischen Partner*innenschaft
  • gesellschaftlich vorgegebene, nicht verhandelte oder veränderbare Regeln
  • Lebenslänge, alles andere wird als Scheitern empfunden

Wie so oft steckt also der Teufel im Detail. Mit ein bißchen Aufmerksamkeit kannst du deine Monogamie zu einer wunderbaren und stabilen Partner*innenschaft machen.

 

Details

„Willst du mit mir gehen? Ja, nein, vielleicht“

Oft scheint es so klar. Zwei Menschen treffen sich und stellen fest, dass es eine besondere Verbindung gibt. Nach ein wenig Gekribbel und Geruckel und tausenden Gesprächen, die mindestens am Anfang noch ganz von alleine laufen, sind sie klar darüber, dass es romantisch, sexuell oder partner*innenschaftlich weitergehen soll. Sie „sind zusammen“ und haben oft sehr klare und aufgrund von erlernten und damit unausgesprochenen Annahmen sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, was das eigentlich heißen könnte. Meist wird die monoamore Form der Beziehung vorausgesetzt. Oft geschieht dies, weil wir gar nicht auf die Idee kommen, dass es auch anders ginge.

 

Eine Liebes-Couch für alle

Aber das ist ein bisschen so, als gäbe es im Möbelladen nur eine Sorte Couch. Woher soll ich wissen, dass ich den Zweisitzer will, wenn ich gar nicht weiß, dass es den riesen Kissenberg gibt?

Ich finde es sinnvoll, mich zu informieren, bevor ich etwas kaufe. Nur weil mir mein ganzes Leben suggeriert wurde, dass Beziehung so geht, muss diese Form von Liebe noch lange nicht zu mir passen. Ich kann nur dann eine informierte, reflektierte und dadurch nachhaltige Entscheidung treffen, wenn ich weiß, was es gibt und was jeweils die Vor- und Nachteile sind. Und mit meinem Artikel möchte ich helfen, die jeweils passendste Beziehungsform zu finden und sie dann so angenehm wie möglich zu gestalten. Denn gute Beziehungen sind Lebensqualität und zufriedene Menschen bilden eine friedliche Gesellschaft.

 

Pros/Vorteile Monogamie

1. weniger Klärungs-/Verhandlungsbedarf

In einer monoamoren Beziehung sind zwei Menschen mit insgesamt zwei Bedürfnissets involviert. Das ist natürlich einfacher, als wenn ich drei, vier oder fünf Personen mit ihren Bedürfnissen wahr- und ernst nehmen möchte. Obwohl das natürlich nicht heißt, dass jede Zweier-Beziehung ein Spaziergang sein muss.

Oft haben wir durch unsere Erziehung verlernt, unsere Bedürfnisse zu erkennen und ernst zunehmen. Uns wird suggeriert oder ganz offen beigebracht, dass wir bescheiden, höflich, anspruchslos und unkompliziert zu sein haben. Da jeder Mensch aber neben emotionalen Grundbedürfnissen wie Zugehörigkeit oder Freiheit und körperlichen Bedürfnissen wie Hunger oder Lust auf Sex auch noch Wünsche wie Erfolg oder berufliche Erfüllung und Ansprüche an den Alltag wie Hobbys oder eine bestimmte Ordnung hat, ist das gar nicht so einfach, alles unter einen Hut zu bekommen. Vor allem, wenn ich den Faktor Zeit noch dazu nehme, ergänzen sich die Bedürfnisse selten konfliktlos. Da sind zwei Menschen mit einander schon gut beschäftigt. 

Hier ist es sinnvoll, gut im Kontakt miteinander zu sein und sich die natürlichen Skills im Miteinander wieder anzugewöhnen. Damit meine ich achtsam und lösungsorientiert zu sagen, was ich brauche und dann in wertschätzenden Verhandlungen eine für alle passende Lösungsstrategie zu erarbeiten.

Denn jeder Mensch darf wollen, was er will! Er sollte im Idealfall nur nicht auf Kosten Anderer MACHEN, was er will. Und das ist wesentlich einfacher, wenn nur zwei Menschen involviert sind. Und Beziehung heißt auch immer Reibung und Wachstum. Geschieht das ausschließlich zwischen zwei Menschen, ist das auch in gewisser Weise einfacher und gemütlicher als in einem Setting mit mehr Menschen.

 

2. gesellschaftlich akzeptiert

Unser Hirn mag es einfach und klar und binär, schön geordnet. Monoamorie (Ein-Liebe) und Monogamie (mit Trauschein) ist so etwas Einfaches. Es hilft uns in richtig und falsch zu denken und das ist auf gesellschaftlicher Ebene schön praktisch. Denn so können wir Regeln setzen, an die sich dann alle halten (müssen). Und dann herrscht Frieden, denn was alle machen, wird akzeptiert. Und davon profitieren Monogame und in Teilen auch die ganze Gesellschaft. Es herrscht kein Rechtfertigungsdruck und es gibt keine Diskriminierung. Ich mach das einfach und gehöre in den Mainstream und muss keine Angst vor Ausgrenzung haben. Das ist einfach praktisch und bequem. Und davon profitiere ich, Sonja, auch. Denn ich wohne oberflächlich betrachtet als cis Frau mit einem cis Mann monogam in einem Einfamilienhaus mit zwei Kindern. Meist werde ich also hetero-mono-normativ wahrgenommen und somit gesellschaftlich akzeptiert, weil als „normal“ und damit nicht bedrohlich angesehen. Was ich kenn, macht mir keine Angst. Ich muss nichts hinterfragen und kann in meinen gewohnten Bahnen denken.

 

3. Monogamie ist staatlich und infrastrukturell gefördert

Unser Hirn mag es wie gesagt einfach. Und die staatlich geregelte Fortpflanzungsgemeinschaft ist einfach praktisch für alle, auf gesellschaftlicher Sicht. Denn wir mögen es zu definieren und ein richtig/falsch zu haben. Generelle Lösungen sind logistisch einfach sinnvoll, wenn viele Menschen involviert sind. Vor der Idee, dass wir eine Gesellschaft bilden, die gesunde und fähige Kinder hervorbringt, scheint die Kleinfamilie die sinnvollste Einheit innerhalb einer großen Gesellschaft zu sein, also wird sie gefördert. Finanziell werden Kleinfamilien unterstützt durch Steuervergünstigungen und Sonderpakete, wenn das auch den 24h-Dienst, den Familien an der Gesellschaft leisten, ganz sicher nicht angemessen entlohnt. Auch Monogamien ohne Kinder profitieren von den Steuervorteilen. Logistisch und infrastrukturell hat eine Einheit aus Zweien auch Vorteile, weil z.B. Wohnungen grundsätzlich eher darauf angelegt und Kinderbetreuung danach geplant wird. Auch Autos, Urlaube oder Geschirr werden mit der vierköpfigen Familie oder als Zweierhaushalt gedacht. Da ist es einfach praktisch, in das Muster hineinzupassen.   

 

Cons/Nachteile Monogamie

1. gesellschaftliche, oft unausgesprochene Erwartungen schränken ein

Wenn es für jede Situation eine gesellschaftlich vorgegebene, erwartete Lösung gibt, scheint das schön einfach. Zum Beispiel folgt auf den Gedanken oder auch die tatsächliche Tat der sexuellen Annährung an Dritte oft der Schluss, dass die Beziehung kaputt ist und somit beendet werden muss. Das ist bei einer Halbjahres-Beziehung ohne gemeinsame Wohnung vielleicht wirklich sinnvoll.

Leider ist eine generelle nicht immer für Alle die beste Lösung. Manchmal möchte ich mich nicht trennen. Und was heißt das überhaupt? Fliegt der Mensch dann aus meinem Leben oder haben wir nur keine sexuelle Beziehung mehr? Was ist, wenn Kinder im Spiel sind? So individuell, wie die Situationen sind, so individuell sollten auch die Lösungsstrategien sein. Da wir alle aber schon so lange mit der Monogamie als einzige Beziehungsform leben, da wir durch Social Media, Walt Disney Filme und vieles, vieles Mehr eingetrichtert bekommen haben, wie was wann zu sein hat, kommen wir gar nicht auf andere Lösungen. Und das schränkt ungemein ein und wird der Komplexität des Lebens nicht immer gerecht. Hier lohnt es also zu schauen, wie ich die Monogamie im Detail leben möchte und mich von den gesellschaftlichen Erwartungen erst einmal zu distanzieren und zu profen welche ich in meiner Monogamie leben will.

 

2. hohes Potential, dass ein oder mehrere Bedürfnisse unerfüllt bleiben

Meist werden ALLE Wünsche und Bedürfnisse auf einen Menschen projiziert. Den einen, wahren, richtigen Deckel für meinen Topf zu finden, ist schwer. Und deshalb sind wir meistens mit einem „Verdammtnahdran“ zusammen. Das sorgt schon mal grundsätzlich dafür, dass wir Kompromisse eingehen. Hinzukommt, dass die Bedürfnisse sich über die Zeit auch verändern und das auf unterschiedliche Weise. Die eine Person entwickelt sich vielleicht zu einer ausgesprochenen Partymaus, während die andere gern vor dem Fernseher rumlümmelt. Klar, können da Lösungen gefunden werden, wenn aber alles nur innerhalb dieser Zweierbeziehung gelebt werden darf, ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass ein paar Sachen nicht realisiert werden können und immer mal wieder eine Person das nachsehen hat. Leider ist das häufig immer die selbe.

 

3. Potentielle damit (emotionale) Abhängigkeit von EINEM Menschen

Es wird oft so dargestellt, dass die Monogamie die Lebenserfüllung ist. Ich bin erst fertig/komplett in meinem Leben, wenn ich meinen Deckel gefunden habe. Plötzlich wird der schnöde Alltag pink und alles ist gut. Oft geht es so weit, dass alle Ziele, Träume und Wünsche auf einen Menschen projiziert werden und ich in Wartestellung bin, bis ich „den Einen“ gefunden habe. Mit dieser Erwartung lagere ich die Bedürfniserfüllung einfach aus. Ich übernehme keine Verantwortung mehr für mich, mein Handeln, mein Leben. Ich erwarte, dass die richtige Beziehung zu dem richtigen Menschen mein Glück automatisch mit sich bringt. So mache ich mich total abhängig von dieser einen Beziehung. Freunde und Kernfamilie rücken gefährlich weit in den Hintergrund. Ich ziehe für meine Beziehungsperson in eine fremde Stadt, gebe viel von meiner Autonomie her und passe mich an, nur um das überall angepriesene ultimative Glück zu erleben. Das Ende vom Lied ist, dass alles Wichtige in meinem Leben mit dieser Beziehung steht und fällt. Ist der Mensch, um den es geht, überfordert, unreif, unreflektiert oder einfach gemein, kann das übel enden.

 

Achtung!

Hier beleuchte ich drei Aspekte, die du bei einer monogamen Beziehung beachten und gestalten könntest. 

1. Freundschaften sind NICHT weniger wichtig als die Beziehung

Die Erwartung, dass die richtige (partner*innenschafliche) Beziehung mich glücklich macht, formt oft ein ziemlich hierarchischen Konstrukt. Es heißt nämlich, dass diese Beziehung wichtiger ist als alle anderen und sich Freunde und (Wahl)Familie unterzuordnen haben. Und das führt im Zweifelsfall dazu, dass ich mich sehr einsam fühle, sobald eben doch nicht ALLES mit meiner Beziehungsperson läuft wie am Schnürchen. Außerdem braucht der Mensch Abwechslung, immer neue Impulse und ist ein soziales Wesen. Es ist daher enorm wichtig, andere wichtige Menschen in meinem Leben nicht zu vernachlässigen. Denn die sind manchmal nicht so geduldig, die 1-2 Jahre abzuwarten, bis die Hormone sich normalisiert haben und ich wieder klar denken kann. Oder die mögen es gar nicht, dass die Liebesbeziehung immer Vorang hat. Andere Beziehungen sind auch wichtig, nicht nur, weil ich die Menschen bei Problemen in der Liebe noch brauchen könnte, sondern weil ich mir mit ihnen Bedürfnisse erfüllen kann, die in meiner monoamoren ganz natürlicherweise Beziehung keinen Platz finden.

 

2. Hohes Betrugspotential 

Das zweite, auf das ich immer rate zu achten, ist, dass die Erwartung der sexuellen Exklusivität oft so allumfassend und wichtig ist, dass gar nicht darüber geredet wird, was passiert, wenn in der langen Alltagsphase einer Monogamie dann doch mal Interesse an einer dritten Person wach wird. Für mich sind Ehrlichkeit, Einvernehmlichkeit und Freiwilligkeit zentrale Werte. Aber in vielen Beziehungen wird darüber gar nicht gesprochen. Es gibt einen Verhaltenskodex und oft leider auch wenig Kommunikation und Konflikttoleranz, so dass viel verschwiegen wird und die Personen mit unerfüllten oder unerwarteten Bedürfnissen ziemlich allein da stehen. Und dann werden die unausgesprochenen Regeln eben auch gern mal zu den eigenen Gunsten ausgelegt oder es wird davon ausgegangen, dass es doch normal ist, sich mal was an der Seite zu gönnen, oder ich mach es einfach trotz schlechtem Gewissen, weil ich keinen alternativen Umgang kenne.

Ein Missbrauch des Vertrauens kann verhindert werden, indem zum Beispiel offen mit solchen Gefühlen umgegangen wird, weil sie einfach natürlich sind und nicht gleich das Aus einer Beziehung bedeuten. Sie sagen viel mehr aus über die Person, die grade nach Außen schielt und geben Hinweise was grade dran ist.  Und es ist hilfreich das Ganze zu thematisieren. Meine Partnerperson kennt mich schließlich gut und kann mir vielleicht helfen zu schauen, wie ich das lösen möchte. Und oft reicht das auch schon. Stoße ich mit meinen Gefühlen auf Verständnis und wird das Ganze aufgearbeitet, wird es fassbarer und weniger bedrohlich. Vielleicht werden sogar Auslöser gefunden. Bestenfalls mache ich mir in diesem Prozess die positiven Aspekte der Beziehung bewußt und dann verfliegt das Ganze vielleicht einfach.

 

3. Freiwilligkeit

Viele Menschen ziehen sich bei einer Monogamie die vielen unausgesprochenen Regeln an wie ein Korsett: Es wird nicht hinterfragt und der goldene Käfig akzeptiert. Aber ein Käfig bleibt ein Käfig und Fremdbestimmung ist gewaltsam, selbst wenn ich sie wähle.

Ich empfehle allen, sich die Freiwilligkeit einer Beziehung klarzumachen. Das klingt oft so banal und vermutlich denkst du jetzt, dass du NATÜRLICH freiwillig in dieser Beziehung bist. In der Praxis und im Alltag merke ich bei meinen Paaren davon oft leider wenig. Freiwilligkeit bedeutet, dass ich jede noch so kleine Handlung aus freien Stücken mache, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Ich mache alles nur aus eigenem Antrieb und Liebe. Alles was ich mache, tue ich, damit es mir UND meiner Beziehungsperson gut geht. Ich halte nichts für einen anderen Menschen aus, gehe keine Kompromisse ein. Das klingt erst mal furchtbar egoistisch.

Aber erstens ist gegen einen achtsamen Egoismus nichts einzuwenden, so lange ich meine Werte nicht aus den Augen verliere, ich z.B. niemandem etwas zumute, was ich für mich als unangenehm eingestuft habe oder die betreffende Person einfach frage, wie sie es am liebsten hätte. Und zweitens heißt das auch, dass jede Person für sich selbst sorgt und ich so sicher gehen kann, dass es meinem Beziehungsmenschen gut geht. Er wird es mir sagen, wenn nicht.

Wenn ich Dinge freiwillig mache oder lasse, muss ich meine Gründe kennen. Ich muss wissen, warum ich bei dieser Person bleibe. Ich muss wissen, warum sexuelle Exklusivität mir und meiner Beziehungsperson wichtig ist und was das eigentlich heißt. Ich muss wissen, WOFÜR ich Dinge tue und was ich davon habe.

Das ist etwas völlig anderes als zu wissen, dass ich manche Dinge nicht machen DARF bzw. dass ich Etwas machen MUSS.

Lass das mal sacken.

Das Eine ist selbst bestimmt und hat mich im Fokus.

Das andere zwingt mich zu Verhalten, ganz unabhängig davon, ob ich grade Lust dazu habe.

 

Warum lege ich in einer Monogamie so viel Wert auf die Freiwilligkeit?

In meiner Erfahrung sprechen monogame Paare viel zu selten über das, was sie sich wünschen und wie sie den Alltag leben möchten. Sie gehen von ungeschriebenen Regeln aus und statt ernsthaft zu verhandeln und schränken sich einfach ein, in Annahme das richtige zu tun. Aber Ungewünschtes aushalten kostet Energie. Oft wird ein Kompromiss gesucht, um Konflikte zu vermeiden. Also noch mehr Aushalten.

Aber erst wenn ich den Konflikt sehe und (friedlich und freiwillig!) bearbeite, kann immer eine Lösungsstrategie gefunden werden. Hier geht es nicht darum Bedürfnisse zu unterdrücken oder Kompromisse auszuhalten. Ich wünsche mir für alle, dass eine Bedürfniserfüllungstrategie erwarbeitet werden kann, die sich für beide als Gewinn anfühlt und nicht als Verlust. Und Kompromiss heißt nun mal oft nichts weiter, als das immerhin BEIDE ein bisschen abgegeben/ein bisschen was Negatives aushalten. Dass ich das negative freiwillig akzeptiere spielt dabei keine Rolle. In einer Beziehung geht es meiner Meinung nach immer um Gefühle. Und etws aushalten, etwas für meine Beziehungsperson ertragen, entzweiht über kurz oder lang die Beziehung, weil es schlechte Gefühle hervorruft. Wenn ich so lange mit meinem Gegenüber verhandle, Bedürfnisse entdecke und wirklich für beide passende Strategien finde, gehe ich freudig die Lösung mit und das macht die Verbindung stärker.

 

 

 

Alternative Sicht der Vorteile von Monogamie

Vermutlich hast du schon zwischen den Zeilen gelesen und bemerkt, dass ich die Monogamie nicht vorbehaltlos gut finde. Ich finde, jede Beziehungsform hat auch Nachteile und mir ist es wichtig, dass auch andere Modelle gesehen und bekannt werden, damit jede Person so leben kann, wie es zu ihr passt. Deshalb möchte ich noch ein paar Worte zu den oben genannten Vorteilen einer Monogamie schreiben.

 

Gesellschaftliche Akzeptanz von Monogamie

Oben habe ich  hervorgehoben, wie praktisch es ist, dass die Monogamie die meist gewählte Beziehungsform ist. Heteronormativ geführte Kleinfamilien sind gesellschaftlich akzeptiert und werden gefördert. Oft wird das Argument dazu in der Biologie gesucht. Es ist einfach zu sagen, dass die Natur die Verbindung zwischen Mann und Frau zum Zwecke der Fortpflanzung will. Außerdem hat die Akzeptanz meiner Meinung nach viel mit Gewohnheit zu tun. Und vermutlich auch mit Angst. Denn was wir kennen, was wir als einfach und normal einstufen, ist angenehm und gibt Sicherheit. Alles andere greift meine Werte an und nimmt mir meine innere Struktur. Und das sind gute Gründe, sich dem Mainstream zuzuwenden.

Leider ist es nunmal so, dass eben nicht alle Menschen gleich sind und somit die eingeschliffenen Gewohnheiten nicht für alle passen. Und sehe ich genauer hin, wird klar, dass das ziemlich normal ist. Denn die eigentliche Strategie der Natur ist Vielfalt. Nur durch Vielfalt können Arten der stetigen Veränderung trotzen. Und ich fände es schön, wenn wir nicht nur verständnisvoll nicken, wenn wir sagen, dass wir alle verschieden sind, sondern eben auch akzeptieren, dass das auch zu unterschiedlichen Wünschen und Lebenskonzepten führt. Individualität bedeutet, dass es individuelle Lösungen braucht und es wäre total toll, wenn jede Person einfach leben und lieben drüfte, wie es für die Beteiligten passt. Es wäre wunderbar, wenn unsere Gesellschaft auch Polyamorie, offene Beziehungen, gleich- oder ganz andersgeschlechtliche Liebe akzeptieren würde. Denn letztendlich geht es ja niemanden etwas an, wen ich mag und wie ich diese Zuneigung auslebe, so lange unbeteiligte Menschen dadurch nicht eingeschränkt werden. Und tatsäclich ist es ja nunmal so, dass jeder Mensch Mereiche hat, in denen er außergewöhlich ist. Und das ist wunderbar. Zeigt aber eben auch, dass kein Mensch IMMER im Mainstream sein kann. Deshalb brauchen wir die Akzeptanz und Normalisierung des Außergwöhnlichen. 

 

Staatliche Förderung der Kleinfamilie

Vor einiger Zeit hat sich der Staat dazu entschlossen, das Kleinfamilienmodell zu institutionalisieren und zu fördern. Dafür gab es sicher mal gute Gründe. Inzwischen ist allerdings vermutlich vielen Menschen klar, dass z.B. ein Mehrgenerationenhaushalt, wie es früher anzutreffen war oder auch eine Sippe, wie es noch davor Standard war bzw. und immer noch in anderen Ländern ist, durchaus Vorteile hat gegenüber der kleinen, einsamen Familieninsel.

Die sieht nämlich leider immer häufiger so aus: es gibt eine überforderte weil ohne potentielle Großeltern weggezogene Einzelkämpfermutter, die zusätzlich zu ihrem ständig abwesenden Mann arbeitet und neben einem perfekten Haushalt noch perfekte Kinder und dafür nen Burnout hat. Daneben gibt es den zuviel arbeitenden und damit alles verpassenden Vater, der aber auch zu Hause unterstützen und seine neue Männlichkeit finden und gleichzeitig karieretechnisch glänzen soll und deshalb auch im Burnout landet. Die Paarebene geht völlig flöten und spätestens wenn die Kinder aus dem Haus sind, stehen diese zwei Menchen vor einem Trümmerhaufen aus kaputter Psyche, kaputter Beziehungen und fehlendem Sexleben ohne Ansatzpunkt für einen Neustart. Gern trennt sich das Paar schon früher und macht das selbse im Patchworkmodel nochmal. Dieses Model ist leider viel häufiger anzutreffen als die glückliche Kleinfamilie, die jedes Alter ihrer Kinder entspannt feiern, weil immer genug Geld da ist und Arbeit, Familie und eigene Ansprüche sich prima vereinbaren lassen. Die Einheit Kleinfamilie ist also nicht immer ideal für unsere Gesellschaft, auch wenn sie staatlich immer noch am meisten gefördert und auch gegenüber homosexuellen Ehen bevorzugt wird. 

Glücklicherweise möchte die Ampelkoalition vielen Nachbarländern nachziehen und das Konzept einer verbindlichen Gemeinschaft zwischen egal wie vielen Menschen mit egal welchem Geschlecht und egal welcher Verbindung mit egal wieviel Nachwuchs fördern. Ich freu mich auf mehr Möglichkeiten, denn ich habe den Eindruck, dass gegenseitige Unterstützung in Form von Netzwerken jedweder Art wirklich sinnvoll und manchmal sogar nötig sind und da ist es schön, wenn ich vielleicht die Möglichkeit habe, mir eine große Wahlfamilie am Wohnort zuzulegen und die hoffentlich in Zukunft sogar staatlich legitimieren zu lassen. Denn Verbindlichkeit ist wichtig, nicht nur im monoamoren Kontext.

 

Ein Wort zur sexuellen Exklusivität

Jeder mensch hat viele unterschiedliche Bedürfnisse, die sich nie nur mit einem menschen erfüllen lassen. Aber wenn mein Bedürfnis z.B. exzessives Schachspielen ist und meine Beziehungsperson darauf keinen Bock hat, ist das oft überhaupt kein Problem. Dann geh ich halt los und such mir einen Verein oder eine sympathische Person, mit der ich das ausleben kann. Geht es bei meinem unerfüllten Bedürfnis um eine sexuelle Vorliebe, mit der meine Beziehungsperson nichts anfangen kann, sieht das schon anders aus. Und ich finde es schade und extrem übergriffig, dass die Tatsache in welchem Bereich die Bedürfnis-Differenzen liegen, ganz essentiell darüber entscheidet, ob ich das Bedürfnis nun erfüllt bekomme oder nicht. Denn zusätzlich zu einer konstanten Unzufriedenheit, die schon mal nicht gut tut und auch das gesellschaftliche Zusammenleben erschwert, gibt das vielen Menschen das Gefühl, dass ihr Bedürfnis falsch ist. Das fühlt sich sicher nicht gut an und lässt eigentlich nur zwei Optionen: Unglückl oder Trennung.

Dabei darf jede Person erstmal wollen was sie will. Sexualität ist perse ein weites Feld, das unfassbar verschiedene Vorlieben vereint. Zusätzlich ändert sich das über die Jahre mit Alter, Hormonstatus und Beziehungslänge. Und ich finde eine Beziehungsform, die allein einen Bereich so von außen regelt und erwartet, dass ich bis an mein Lebensende mit einem einzigen Menschen sexuell glücklich bin, ziemlich gefährlich für alle Menschen, die anders ticken als erwartet.

Sexualität ist ein wahnsinnig wichtiger Bereich fürs Wohlbefinden und auch für die geistige und körperliche Gesundheit. Und ich finde, jeder Mensch sollte die Chance haben, für sich eine gut lebbare Form zu finden. Ich kann mich natürlich dazu entscheiden, dass ich sexuell exklusiv sein möchte, ich finde allerdings, dass das immer wieder verhandelbar sein sollte. Jeden Tag neu. Denn Alles ändern sich.

 

Schlusswort

Menschen sind verschieden. So einfach und schnell Viele dem sofort zustimmen, so schwer ist es oft zu akzeptieren, dass das im Umkehrschluss heißt, dass nicht alle mit dem Gleichen glücklich sind und dass es somit auch nicht nur ein einzig wahres „Richtig“ oder „Falsch“ für das Handeln innerhalb einer Beziehung gibt. Und wenn ich eine Beziehung sehe, die ein monogames Walt Disney Lebenskonzept unreflektiert übernimmt, ganz egal, ob das zu den Beteiligten passt, dann werde ich hellhörig. Denn jeder Mensch darf erst mal wollen, was er will. Keine Person ist falsch, nur weil sie ungewöhnliche Wünsche hat. Und es muss die Möglichkeit geben, zumindest einen Versuch starten zu dürfen, sich diese Wünsche zu erfüllen, es zumindest erst mal aussprechen oder wenigstens denken zu dürfen mit echtem Raum für Möglichkeiten. Und dann können wir innerhalb einer Beziehung achtsam und wertschätzend schauen, was möglich ist.  

Gute Beziehungen sind Lebensqualität und zufriedene Menschen machen eine friedliche Gesellschaft. 

 

 

Du hast weitere Fragen dazu?

Dann melde dich an für meine BeziehungsFAQten am Sonntag, den 26.6.2022 um 17 Uhr, kostenlos und online oder schau im Anschluss das entsprechende Video auf meinem YouTube Kanal.

Ich freue mich auch über eine Email oder buche direkt ein Coaching für deine Beziehungstransformation.

Bei mir erfährst du wie ALLE glücklich werden können.

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